Der Frankfurter Forscher Priv.-Doz. Dr. Dennis von Heimburg und Prof. Dr. Dr. Norbert Pallua von der Technischen Universität Aachen führen zurzeit weltweit erstmalig eine klinische Studie durch. Kern der Untersuchung ist der Ersatz von verloren gegangenem Körpergewebe durch gezüchtete, lebende Implantate. Dies könnte bedeuten, dass zukünftig keine künstlichen Implantate mehr verwendet werden müssen. Zunächst im kleineren Umfang wie zum Beispiel Gesichtsfalten oder Augenlidern, in einigen Jahren sogar noch weitreichender.
"Dieses Verfahren kann in kurzer Zeit zur Behandlung eingefallener Narben oder von Falten Anwendung finden, unser oberstes Ziel ist es aber für Millionen von Frauen eine optimale Lösung zu schaffen, bei der künstliche Brustimplantate durch risikoarmes körpereigenes Gewebe ersetzt werden kann - und das einen Leben lang.", so Priv.-Doz. Dr. Dennis von Heimburg.
Der Ersatz einer amputierten Brust nach Krebsoperation stellt eine große Herausforderung in der Plastischen Chirurgie dar. Derzeit wird eine verlorene Brust entweder durch lange mikrochirurgische Operationen durch eigenes Körpergewebe der Patientin oder einfacher durch künstliche Silikonimplantate rekonstruiert. Der Wiederaufbau der Brust durch gezüchtete eigene Zellen und spezielle Trägermaterialien ist das oberste Ziel, da somit aus einer kleinen Gewebsprobe der Patientin ein vorausbestimmbares Ergebnis erzielt werden könnte. Das Tissue engineering, also die Züchtung von lebendem Gewebe und Organen, zielt auf die Bereitstellung lebender Implantate, die nach erfolgreicher technologischer Herstellung in den Körper eingebracht werden.
Neben dem Verlust der weiblichen Brust durch eine Operation gibt es noch zahlreiche andere Substanzdefekte des menschlichen Körpers, beispielsweise Muskel- und Fettgewebsverluste nach schweren Verletzungen. Defekte des menschlichen Weichgewebes (Fettgewebe, Faszie und Muskel) bleiben zeitlebens sichtbar, der menschliche Körper kann diese Verluste nur minderwertig reparieren.
Die Plastische Chirurgie hat hervorragende Verfahren entwickelt Defekte des Körpers zu reparieren. Obwohl das oberste Ziel der plastischen Chirurgie die Rekonstruktion von Gleichem durch Gleiches ist, können Verluste des Weichgewebes nicht problemlos zum Beispiel durch Fettgewebe ersetzt werden. Die einfache Verpflanzung von Fettgewebe führt zu schlechten und unvorhersagbaren Ergebnissen. Komplizierte und langwierige mikrochirurgische Rekonstruktionen sind notwendig.
In den durch die europäische Union unterstützten Versuchsreihen konnte in den Labors der Rheinisch-Westfälisch Technischen Hochschule Aachen erfolgreich unreifes Fettgewebe außerhalb des Körpers gezüchtet werden. Nach der Implantation dieses kultivierten "Organs" kam es zum Einheilen der Implantate mit Anschluss an das Blutgefäßsystem und zur Ausreifung zu reifem Fettgewebe. Das erzielte Volumen dieser Implantate ist allerdings noch sehr gering. Die Versorgung mit Blutgefäßen ist nach derzeitigen Methoden noch nicht ausreichend, so dass bislang lediglich sehr kleine Implantate einheilen.
Körpereigene Fettzellen eines Patienten sollten mit Hilfe eines neuen Zellkulturverfahrens vermehrt und anschließend nach spezieller Aufbereitung und Besiedlung spezieller Träger wieder in den Patienten implantiert werden. Da sich die fetthaltigen Zellen beim Erwachsenen allerdings nicht mehr teilen und vermehren können, wurde auf die Fettgewebsvorläuferzellen, die Präadipozyten, zurückgegriffen. Diese Vorläufer, gewebsständige Stammzellen, sind eine "stille Reserve" und liegen im Zwischengewebe des Fettgewebes. Die Präadipozyten sind dafür verantwortlich, dass auch beim Erwachsenen bei übermäßiger Nahrungszufuhr die Anzahl der Fettzellen zunimmt. In den Versuchsreihen wurde zunächst die Isolierung von Fettgewebsvorläuferzellen aus menschlichem Fettgewebe und deren Kultivierung optimiert. In den nachfolgenden Untersuchungen wurden die In-vitro (unter Kulturbedingungen)-Eigenschaften dieser Zellen auf verschiedenen Biomaterialien und anschließend das In-vivo (im Tierexperiment)-Verhalten nach der Transplantation untersucht.
Die Versuchsreihe stellt erstmals die erfolgreiche Kultivierung humaner Fettgewebsvorläuferzellen auf abbaubaren Trägern und ihre Entwicklung zu differenziertem, reifem Fettgewebe nach der Transplantation vor. Die gewebetechnologische Herstellung von Fettgewebe auf der Basis kultivierter humaner Präadipozyten zur Rekonstruktion von Weichgewebsdefekten ist daher möglich und vielversprechend. Über die Dauerhaftigkeit des Weichgewebsersatzes und die klinischen Einsatzmöglichkeiten sollte eine kontrollierte Studien in Frankfurt Aufschluss geben.
In einer aktuell durchgeführten klinischen Studie wurde insgesamt 15 Probanden Fettgewebe durch einen kleinen Schnitt im Bauchnabel vom Bauch entnommen. Dieses Gewebe wurde in einem kommerziellen und darauf spezialisierten Labor (FAB, Abano Terme, Italien) verarbeitet und die gewebsständigen Stammzellen isoliert und an kleine Trägerschwämme angeheftet. Wenige Tage später wurden die lebenden Zell-Implantate hinter das Ohr des jeweiligen Freiwilligen verpflanzt. Nach knapp vier Monaten wurden die Implantate entnommen. Bei allen Probanden fand sich eine Vergrößerung der Implantate. Eine klinische Studie mit Transplantaten von Fettgewebsvorläuferzellen ist bislang weltweit einmalig.
Der Einsatz kleiner Zell-Implantate zur Korrektur von Narben und Falten scheint dadurch möglich geworden zu sein. Privatdozent Dr. Dennis von Heimburg hat sich über die gewebetechnologische Herstellung von Fettgewebe an der RWTH Aachen habilitiert. Er hat fünf nationale und internationale Preise und fünf Forschungsstipendien erhalten und über 20 Arbeiten zu diesem Thema veröffentlicht. (Priv.-Doz. Dr. med. Dennis von Heimburg, Facharzt für Plastische Chirurgie, Praxisklinik Kaiserplatz, Frankfurt am Main).